Die Menschen werden immer aggressiver. Im Folgenden erforsche ich die Ursachen.
Das Wort aggressiv kommt von den lateinischen Wörtern ad mit der Bedeutung ‚zu‘ und gradi mit der Bedeutung ‚schreiten‘. Es heißt ‚auf etwas zuschreitend‘.
Aggression ist eine Bewegung und daher eine Emotion, denn dieses Wort kommt von lateinisch ex-motion und bedeutet ‚Bewegung nach außen‘. Ein anderes Wort dafür ist Gefühlsausdruck. Ein Gefühl wiederum ist ein Körperzustand – und Auslöser von Emotionen. Ich erkläre das in meinem Artikel „Gefühle sind nicht dasselbe wie Emotionen“. Aggression ist also Ausdruck eines Körperzustands.
Ein hungriger Löwe nutzt Aggression, um Beute zu machen. Ein angegriffener Löwe nutzt Aggression zum Kampf. Ein gefangener Löwe nutzt Aggression, um freizukommen. Eine Löwenmutter, deren Kind gefährdet ist, nutzt Aggression, um es zu beschützen. Selbst eine Kuh braucht beim Fressen Aggression im eigentlichen Wortsinn: sie muss auf das Gras zugehen und sie muss zubeißen – klarerweise ist sie dabei viel weniger aggressiv als ein Löwe bei der Nahrungssuche.
Aggression ist natürlich und dient dem Überleben. Sie entsteht bei Gefahr, wovon es drei Arten gibt:
Mangel an biologischen Bedürfnissen wie Nahrung und Wasser,
Bedrohung durch eine andere Lebensform oder die Umwelt,
Eingesperrt-Sein.
Im Körper entsteht Aggression so: Jede Lebensform braucht Energie, um am Leben zu bleiben. Die Energie wird über die Nahrung aufgenommen, im Körper gespeichert und zum Aufrechterhalten aller lebenswichtigen Körperfunktionen genutzt. Bei Gefahr braucht die Lebensform möglichst viel Energie, um diese abwenden zu können. Bei tierischen Lebensformen wird dazu der Körper angespannt bzw verengt. Das verlangsamt oder blockiert Körperfunktionen wie Verdauung und Heilung. Dafür steht nun die meiste Energie für die Extremitäten zur Verfügung. Das ist sinnvoll, denn eine Abwehr der Gefahr ist jetzt das oberste Gebot.
Ein verengter Körperzustand wird passend als ‚Angst‘ bezeichnet, denn dieses Wort hat die Wurzel *angh- mit der Bedeutung ‚eng‘. Je größer die Gefahr, desto stärker die Verengung. In der Natur dauert die Begegnung mit einer Gefahr nicht lange an. Entweder kann das Tier die Gefahr abwenden – oder es stirbt. Überlebt es und ist die Gefahr vorbei, entspannt sich der Körper und alle Lebensfunktionen laufen wieder normal.
Auch wir Menschen werden bei Gefahr natürlicherweise aggressiv. Im Unterschied zu den Tieren können wir uns aber auch einbilden, gefährdet zu sein. So eine Einbildung entsteht durch soziale Programme. Wie bei realen Gefahren gibt es auch drei Arten eingebildeter Gefahren: eingebildeter Mangel, eingebildete Bedrohung und eingebildetes Eingesperrt-Sein.
Angenommen du hast im Auftrag deines Chefs einen Bericht verfasst. Du hast tagelang daran gearbeitet, bist stolz auf das Ergebnis und erwartest Lob. Der Wunsch nach Lob bzw Anerkennung ist kein natürliches, sondern ein erlerntes Bedürfnis. Wie es entsteht, erkläre ich in meinem Buch „Frei Sein – Raus aus der Box“.
Du präsentierst den Bericht, bekommst aber kein Lob. Du erlebst einen Mangel. Dieser Mangel ist eingebildet, denn er kommt von einem Programm. Nichtsdestotrotz fühlst Du ihn körperlich. Dein Körper unterscheidet nämlich nicht zwischen einem realen und einem eingebildeten Mangel; er unterscheidet nicht zwischen einer realen und einer eingebildeten Gefahr. Er reagiert mit Anspannung und du wirst daher aggressiv. Den Zusammenhang zwischen Geist und Körper erkläre ich in meinem Artikel „Warum und wie Du viel mehr Einfluss auf Deinen Körper hast, als Du glaubst“.
Angenommen jemand nennt dich einen Trottel. Das ist ein mentaler Angriff. Die meisten sehen darin eine Beleidigung und reagieren aggressiv. Doch diese Bedrohung ist eingebildet, denn das physische Überleben ist dadurch nicht in Gefahr. Was kümmert dich die Meinung eines anderen? Sie ist dir nur wichtig, weil du so programmiert wurdest.
99 % deiner Handlungen und deines Denkens entstehen durch Programme. Sie erzeugen ein geistiges Gefängnis. Dieses Eingesperrt-Sein ist eingebildet und nicht real, denn du könntest jederzeit aus diesem Gefängnis ausbrechen. Doch den meisten ist gar nicht bewusst, dass und wie sehr sie geistig eingesperrt sind. Wenn man nicht weiß, dass man sich in einem Gefängnis befindet, kann man ihm auch nicht entkommen. Ich beschreibe das in meinem Artikel „Warum die Frage ‚Was bin ich?‘ wichtig und magisch ist“. Praktisch ist es viel Arbeit, sich von seinen Programmen zu befreien. Eine Methode dafür beschreibe ich in meinem Artikel „So wirst du in 7 Schritten, was du wahrhaftig bist“.
Wie wirken sich deine Programme auf dich aus? Vieles, was du tust, tust du, weil du programmiert wurdest, es zu tun. Mit anderen Worten: du funktionierst. Doch „etwas“ in dir will nicht funktionieren. Daher tust du vieles mit einer Portion Widerwille. Das erzeugt jedes Mal eine Anspannung in deinem Körper und damit einer kleinen Portion Aggression. Meist lebst du diese Aggression nicht aus, weil du ja zu funktionieren gelernt hast. Wird eine Anspannung nicht durch Aggression aufgelöst, bleibt sie im Körper. Sie wird zu einer latenten Aggression.
Eingebildete Gefahren sind oft schädlicher als reale Gefahren. Einen Nahrungsmangel kannst Du meist beheben. Einen eingebildeten Mangel kannst du meist nicht beheben. Du kannst deinen Chef nicht zwingen, dir das ersehnte Lob zu geben. Also wirst du entweder deine daraus entstandene Aggression unterdrücken oder sie gegen etwas Unbeteiligtes richten. Vielleicht fluchst du; oder du schlägst mit der Faust auf den Tisch; oder du betäubst dich mit Drogen, Alkohol oder Zucker; oder du lenkst dich irgendwie ab.
Doch auch wenn du fluchst, mit der Faust auf den Tisch schlägst, dich betäubst oder dich ablenkst, der eingebildete Mangel bleibt, weil du ja weiterhin das Bedürfnis nach Anerkennung hast; und damit bleibt dein Körper angespannt; und damit bleibst du latent aggressiv. Und jedes Mal, wenn dich etwas an deinen Mangel erinnert, wirst du noch ein klein wenig angespannter und daher latent aggressiver. Wenn du dich nach Lob sehnst, erinnert Dich jeder, der Anerkennung erhält, an deinen Mangel und triggert dich. Wenn du dich nach Liebe sehnst, erinnert dich jedes Liebespaar und jeder romantische Film an deinen Mangel und triggert dich. Und durch das geistige Gefängnis deiner Programme wirst du sowieso ständig getriggert.
Eingebildete Gefahren können chronisch werden, wodurch die Anspannung des Körpers chronisch wird. Im Laufe von Jahren und Jahrzehnten wird der Körper immer verspannter … und daher die latente Aggression immer stärker. Und eines Tages bringt eine Kleinigkeit das Fass zum Überlaufen. Es kommt zu einem Ausbruch der Aggression, dessen Intensität in keinem Verhältnis zum Auslöser steht.
Natürlicherweise richtet sich eine Aggression gegen die Ursache der Gefahr, wie zB einen Angreifer oder Gefängnismauern. Doch alle eingebildeten Gefahren haben ihre Ursache in sozialen Programmen. Du hast diese Programme gelernt, weil du beim Aufwachsen das Verhalten deiner Eltern und anderer Personen kopiert hast; diese wiederum haben die Programme von ihren Eltern übernommen; das geht zahllose Generationen zurück. Eine aus eingebildeten Gefahren entstandene Aggression hat keinen Adressaten. Daher kann sie sich nur gegen etwas oder jemanden richten, das oder der nicht Ursache deiner Aggression ist; oder sie richtet sich gegen dich selbst.
Wenn dein Chef dich nicht wie erwartet lobt, ist er nicht die Ursache deines Mangels; Ursache ist das Programm, dass dich Lob erwarten lässt. Wenn dich jemand einen Trottel nennt, ist er nicht Ursache deines Ärgers; Ursache ist das Programm, durch das du diesen Menschen ernst nimmst.
Bricht die Aggression nach außen aus, reicht das von einem Faustschlag auf den Tisch über Vandalismus bis zur Verletzung oder gar Tötung einer anderen Lebensform. Bricht die Aggression nach innen aus, richtet sie sich gegen dich selbst. Das kann sich als Selbstverletzungen zeigen wie zB Ritzen, Drogenkonsum oder Selbsttötung. Du weißt zwar, dass das schädlich für dich ist, doch die Aggressionsenergie ist stärker als deine Vernunft. Lange unterdrückte Aggressionen können auch schleichend zu körperlichen oder psychischen Erkrankungen führen.
Wir werden immer mehr Menschen auf diesem Planeten. Und auch die sozialen Programme werden immer mehr. Neue Regeln und Gesetze schränken uns individuell und gemeinschaftlich immer mehr ein. Daher werden immer mehr Menschen latent immer aggressiver. Daher kommt es immer öfter zu Aggressionsausbrüchen – bei manchen nach außen, bei manchen nach innen.
Die einzige echte Lösung ist die Befreiung von seinen Programmen; und das muss jeder für sich selbst erkennen und tun. Je weniger Programme eine Person steuern, desto weniger eingebildete Gefahren erlebt sie und desto näher ist sie ihrer Wahrheit.
“Wenn du die Welt zu einem besseren Ort machen willst, sieh dich selbst an und ändere etwas.”
(Michael Jackson)
Weiterführend:
Artikel „Gefühle sind nicht dasselbe wie Emotionen“
Buch „Frei Sein – Raus aus der Box“
Artikel „Warum und wie Du viel mehr Einfluss auf Deinen Körper hast, als Du glaubst“
Artikel „Warum die Frage ‚Was bin ich?‘ wichtig und magisch ist“
Artikel „So wirst du in 7 Schritten, was du wahrhaftig bist“
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