Auch du wurdest als Genie geboren
Wie du dein Genie reaktivieren und das deiner Kinder erhalten kannst
Die meisten glauben, dass Genies Menschen sind, die mit besonderen Fähigkeiten geboren wurden. Das stimmt nicht. Jeder Mensch wird als Genie geboren. Doch meistens geht das Genie beim Aufwachsen verloren. Erwachsene Genies haben sich zumindest einen Teil ihres kindlichen Genies erhalten.
Im Folgenden erkläre ich, wie das Genie verloren geht. Mit diesem Wissen kannst du das Genie in dir reaktivieren – und das deiner Kinder bewahren. Am Ende gebe ich dir ein paar Übungen mit auf den Weg.
Was ist ein Genie? Das Wort Genie hat die Wurzel *gene-, die ‚(er)zeugen‘ bedeutet. Ein Genie erzeugt etwas – zB eine Sandburg, einen Text, eine Zeichnung, einen Kunststil oder eine wissenschaftliche Theorie.
Wikipedia bietet eine sehr komplexe Definition von Genie an. Mir gefällt, wie Oxbridge es beschreibt: „Es ist nicht einfach, ein Genie zu definieren, aber man kann mit Sicherheit sagen, dass Intelligenz, Kreativität und unkonventionelles Denken dazu beitragen, dass ein Genie ein Genie ist.“
Jedes Kind erfüllt diese Kriterien und ist daher ein Genie. Es lernt zu laufen und zu sprechen, ohne Unterricht darin zu bekommen. Es erforscht alles selbst. Es liest ständig ‚zwischen den Zeilen‘, was die eigentliche Bedeutung des Wortes Intelligenz ist. Es wächst Tag für Tag über sich hinaus; und es verfügt über alle anderen Eigenschaften, die einem Genie zugeschrieben werden, wie Fokus, Initiative, Unabhängigkeit, Mut und Ausdauer. Wenn dich diese Argumente noch nicht überzeugen, dann beobachte ein Kind und versuche zu begründen, warum es kein Genie ist. Albert Einstein hat sich dazu so geäußert:
"Jeder ist ein Genie, aber wenn man einen Fisch nach seiner Fähigkeit beurteilt, auf einen Baum zu klettern, wird er sein ganzes Leben lang glauben, er sei dumm."
(Albert Einstein)
Genau das geschieht in unserem Bildungssystem. Stell dir eine Schule für die Tiere eines Waldes vor. Jedes Tier muss alle Fächer belegen: Fliegen, Schwimmen, Graben, Klettern, Nüsse sammeln usw. Jedes Tier brilliert in einigen Fächern und scheitert in anderen kläglich; keines schafft den Schulabschluss.
"Jedes Kind ist ein Künstler. Das Problem ist, ein Künstler zu bleiben, wenn man erwachsen wird."
(Pablo Picasso)
"Ich bin davon überzeugt, dass die gesamte Menschheit mit mehr Gaben geboren wird, als wir wissen. Die meisten sind geborene Genies und werden nur schnell ent-genialisiert."
(Buckminster Fuller)
Wie werden Kinder ent-genialisiert? Stell dir ein Kind vor, das in sein Spiel vertieft ist. Spiel ist eine neugierige Erforschung der Welt.
"Spiel ist die höchste Form der Forschung."
(Albert Einstein)
Es ist Mittag und ein Elternteil ruft das Kind zum Essen. Das Kind sagt, dass es nicht hungrig ist; aber es muss gehorchen. Ist es wirklich nicht hungrig? Ja, denn es war ganz auf sein Spiel fokussiert. Stell dir Picasso vor, wie er ein Bild malt. Es ist Mittag und seine Frau ruft: „Pablo, das Essen ist fertig.“ Glaubst du ernsthaft, Picasso würde Pinsel und Palette fallen lassen und Essen gehen? Oder dass Einstein ein Gedankenexperiment unterbricht, weil das Abendessen serviert wurde? Auch du wirst in Situationen gewesen sein, in denen du nicht durch eine Mahlzeit unterbrochen werden wolltest.
Das spielende Kind befriedigt seine Neugier, die nichts anderes als geistiger Hunger ist. Das Kind wird aus seiner Erforschung der Welt herausgerissen und zum Essen gezwungen, obwohl es physisch nicht hungrig ist. Dadurch entstehen folgende Programme:
Das Kind muss seine neugierige Erforschung der Welt beenden. Es lernt, dass seine Neugier falsch ist.
Das Kind wird aus seinem Fokus herausgerissen. Es verlernt, konzentriert zu bleiben.
Das Kind muss essen, obwohl es nicht hungrig ist. Es lernt, den Anweisungen anderer zu folgen statt seinen eigenen Impulsen.
Damit lernt das Kind, dass seine Gefühle und Instinkte weniger wert sind als Anweisungen von anderen. Es lernt, dass es weniger wert ist als die Menschen, die ihm Anweisungen geben. Es lernt ein Minderwertigkeitsgefühl.
Das Kind ist geistig hungrig, aber nicht physisch. Aber es darf sich nicht geistig ernähren, stattdessen muss es sich physisch ernähren. Damit lernt es, zu versuchen, seinen geistigen Hunger mit physischer Nahrung zu stillen – was aber nicht geht.
Weil das so oder ähnliche wiederholt geschieht, werden diese Programme immer stärker. So entsteht jemand, der funktioniert, konsumiert und sich minderwertig fühlt – ein ent-genialisierter Mensch.
Das Argument, Eltern müssten darauf achten, dass ihre Kinder genug essen, ist blanker Unsinn. Ein Kind meldet sich, wenn es hungrig ist. Jedes Baby ist ein Beweis dafür. Wird dem Kind das Essen als Ersatzkanal für seinen geistigen Hunger antrainiert, erforscht es künftig pseudo-neugierig den Kühlschrank statt wahrhaft neugierig die Welt. Der Beweis ist eindeutig: Essen spielt in unserer Gesellschaft eine überragende Rolle. Diese geht weit über die Befriedigung des natürlichen Nahrungshungers hinaus.
Es gibt noch mehr Möglichkeiten, die Neugier in Ersatzkanäle zu lenken: Sammeln, Kaufen, Sport, Sex, Reisen, Informationen und Drogen. Ich bespreche sie ausführlich in meinem Buch „Neugier – Der geistige Hunger des Menschen“.
Du wurdest als Genie geboren. Erinnere dich an die grenzenlose Freude, die du als Kind erlebt hast, als du neugierig die Welt erforscht hast und tagtäglich über dich hinausgewachsen bist. Diese Neugier – und damit das Genie in dir – wurde umgelenkt bzw unterdrückt, aber nicht zerstört. Die Sehnsucht nach dieser Freude zeigt, dass das Genie in dir immer noch da ist.
Wenn du den Mut hast, dich von deinen Programmen zu befreien, bleibt übrig, was du tatsächlich bist: ein Genie auf einem Gebiet, das sich offenbaren wird, sobald du das, was dich einschränkt, entfernt hast. Lass dich von Pablo Picasso inspirieren:
"Ich habe vier Jahre gebraucht, um wie Raffael zu malen,
aber ein ganzes Leben, um wie ein Kind zu malen."
(Pablo Picasso)
Die US-amerikanischen Schriftstellerin Gertrude Stein, die Picasso sehr gut kannte, sagte über ihn, dass er davon besessen war, sich zu leeren ... was nichts anderes bedeutet, als dass er sich ständig von seinen Programmen befreien wollte. Ich tue das seit 2011. Über meine Erfahrungen habe ich in den folgenden Artikeln geschrieben:
- „Warum die Frage ‚Was bin ich?‘ wichtig und magisch ist“,
- „Warum ich mich 3,5 Jahre lang sozial isolierte – und was dabei herauskam“ und
- „So wirst du in 7 Schritten, was du wahrhaftig bist“.
Über Intelligenz reflektiere ich in “Warum und wie wir unsere angeborene Intelligenz verlieren - und sie zurückgewinnen können”.
Zum Schluss noch ein Zitat von Albert Einstein über die Bedeutung der Neugier:
„Ich habe keine besonderen Talente. Ich bin nur leidenschaftlich neugierig.“
(Albert Einstein)
Hier sind einige Übungen, mit denen du beginnen kannst.
Übung 1: Wie ist dein Essverhalten, wenn du etwas tust, das du gern tust? Wie ist dein Essverhalten, wenn du etwas tust, was du ungern tust?
Übung 2: Welche Rolle hat das Essen in deinem Leben? Wenn du das nächste Mal eine Mahlzeit oder einen Snack willst, finde heraus, ob du wirklich hungrig bist – oder nur nach Befriedigung oder Ablenkung suchst. Sei stattdessen kreativ und beobachte, was geschieht.
Übung 3: Beobachte Kinder beim Spielen. Erkenne in ihnen die Schlüsseleigenschaften eines Genies: Fokus, Initiative, Intelligenz, Kreativität, unkonventionelles Denken, Selbständigkeit, Mut und Ausdauer. Welche dieser Eigenschaften erkennst du in dir selbst? Wie stark sind sie und wann nutzt du sie?
Übung 4: Erforsche deine Neugier. Was tust du, um sie zu befriedigen.
Übung 5: Wie viel Zeit eines Tages verbringst du damit, neugierig etwas Unbekanntes zu erforschen? Wenn das derzeit nicht Teil deines Lebens ist, wann hast du das zuletzt getan? Was kannst du tun, um das wieder in dein Leben zu bringen?
Weitere Übungen findest du in meinem Buch „Frei sein – Raus aus der Box“.
Weiterführend:
Buch „Neugier – Der geistige Hunger des Menschen“
Artikel „Warum die Frage ‚Was bin ich?‘ wichtig und magisch ist“
Artikel „Warum ich mich 3,5 Jahre lang sozial isolierte – und was dabei herauskam“
Artikel „So wirst du in 7 Schritten, was du wahrhaftig bist“
Artikel “Warum und wie wir unsere angeborene Intelligenz verlieren - und sie zurückgewinnen können”
Buch „Frei sein – Raus aus der Box“
Siehe auch:
Artikel „Es gibt zwei Arten von Lehrern“